Die Kunst der Entscheidungsfindung
Autor: Matthias Achim Teichert (Partner #FORTSCHRITT)
- 22.05.2024 -
Die Luftfahrt hatte bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie viele erfolgreiche Jahre hinter sich. Die Pandemie hat jedoch Fluggesellschaften, Flughäfen, Hersteller und viele Dienstleister in große Schwierigkeiten gebracht, so dass z.B. die Lufthansa vom deutschen Staat gerettet werden musste.
Die Branche hat sich in kurzer Zeit in beeindruckender Weise umfassend neu aufgestellt und meldete für das Jahr 2022 wieder Rekorde. Diese schnelle Rückkehr zum Erfolg war im Sommer 2020 noch nicht absehbar, weshalb es sich lohnt, einen genaueren Blick auf dieses schnelle Comeback zu werfen.
Die Luftfahrt vor Corona
Vor Corona war die Luftfahrt durch einen hohen Grad an Professionalisierung und Ökonomisierung gekennzeichnet. Von den Flughäfen über die Flugzeughersteller bis hin zu den Fluggesellschaften ist die Luftfahrt sicherlich der am stärksten industrialisierte Mobilitätssektor. In der Luftfahrt ist die Anzahl der konkurrierenden 2nd Tier und 1st Tier Unternehmen hoch. Bei den Flugzeug-OEM ist die Auswahl gering und mit Airbus und Boeing war ein Duopol auf dem Markt. Bei den Fluggesellschaften gab es einige, meist ehemalige staatliche Fluggesellschaften, die den Markt unter sich aufgeteilt hatten. Die großen Flughäfen fungieren häufig als interkontinentale Drehkreuze und haben in der Regel eine symbiotische Beziehung zu einer der großen Fluggesellschaften. Obwohl die meisten Flüge innerhalb des EU-Binnenmarktes stattfinden, sind sie alle von der Kerosinsteuer befreit. Diese Befreiung von der Kerosinsteuer beruht auf internationalem Recht und stellt eine starke Bevorzugung des Flugzeugs gegenüber anderen Verkehrsmitteln dar.
Absturz mit der Pandemie
Durch die Schließung der Grenzen mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie war es den Fluggesellschaften nicht mehr möglich, Passagiere zu befördern, so dass der Passagierverkehr auf ca. 20% des Vorjahresvolumens einbrach. Nach der Lockerung der Sperren und der Corona-Schutzmaßnahmen musste der Luftverkehr neu starten. Dieser Neustart wurde zusätzlich durch folgende Aspekte erschwert:
- eine veränderte Arbeitskultur mit weniger Geschäftsreisen und physischen Meetings
- sinkendes Vertrauen der Verbraucher in eine sichere Flugreise ohne Ansteckungsgefahr
- steigende Kosten u.a. durch CO2-Bepreisung, Lohnerhöhungen, Energiepreisentwicklung
- die Luftverkehrsbranche sieht sich einer zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Konfrontation ausgesetzt.
- Personalmangel, da viele Beschäftigte während der Pandemie in „sicherere“ Branchen abgewandert sind.
Luftfahrt im Pandemie-Modus
Die COVID-19-Pandemie hat zu erheblichen Veränderungen im Kundenverhalten und in der Nachfrage nach Flugreisen geführt (vgl. Melas 2020, S. 38). So ist der ehemals lukrative Geschäftsreisesektor stark eingebrochen und erholt sich nur langsam. Dieser Trend der abnehmenden Relevanz des Geschäftsreisesektors spiegelt sich in der zunehmenden Bedeutung des Güterverkehrs wider. Dieser Aufwärtstrend ist unter anderem auf steigende Frachtpreise zurückzuführen. Die Fluggesellschaften haben eine Reihe von Strategien entwickelt, um den durch die Pandemie verursachten Behinderungen und Umsatzeinbußen zu begegnen. Dazu gehörten Kurzarbeit, Personalabbau und eine effektive Finanzierung durch Kapitalspritzen (vgl. McMaster 2022, S. 14). Diese Maßnahmen spielten eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Finanzstabilität in einer Zeit erheblicher Volatilität. Das Ausmaß dieser Volatilität beschränkte sich jedoch nicht nur auf Fluggesellschaften, sondern betraf auch Flughäfen und Dienstleister. Diese Volatilität wurde durch die Komplikationen im Zusammenhang mit der B737 Max von Boeing noch verstärkt. Diese komplexe und herausfordernde Situation hat die gesamte Branche erfasst und die Probleme von Boeing dauern an (vgl. Collings et al. 2022, S. 4).
Abb. 1: Statistik zu Flügen und Umsätzen im Luftfahrtsegment (eigene Darstellung)
Die globalen Auswirkungen von COVID-19, einschließlich der vorherrschenden Unsicherheit und der Reisebeschränkungen, hatten somit tiefgreifende und negative Auswirkungen auf Interkontinentalflüge. Die inhärenten Gesundheitsrisiken und die strikten staatlichen Maßnahmen stellten diese Routen vor große Herausforderungen, während Inlandsflüge zwar vergleichsweise weniger betroffen waren, aber vor allem im deutschsprachigen Raum zunehmend in die sozial-ökologische Kritik gerieten (vgl. Haas 2023, S. 72).
Änderungen im Kundenverhalten
Auch wenn Geschäftsreisen mit der zunehmenden Umsetzung von New Work, den Möglichkeiten der Telearbeit und den Auswirkungen der Pandemie als Treiber der Digitalisierung deutlich abgenommen haben, sind sie nicht gänzlich verschwunden (vgl. Smite et al., 2023). An erster Stelle ist hier das „Never Left“-Segment zu nennen, das ca. 15% der Unternehmen ausmacht. Es umfasst Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit häufige Reisen erfordert. Dazu gehören Produktionsunternehmen, operative Einheiten und Vertriebsorganisationen. Die Art ihrer Geschäftstätigkeit macht eine regelmäßige physische Präsenz vor Ort unabdingbar, während digitale Alternativen diesen Bedarf nicht vollständig ersetzen können.
Wesentlich größer ist jedoch das Segment, das sich mit „Fear of Missing out“ umschreiben lässt und rund 60 Prozent der Unternehmen ausmacht. Es umfasst Unternehmen, die nur deshalb Geschäftsreisen unternehmen, weil sie es zum einen gewohnt sind und zum anderen inhärent stark auf physische Präsenz setzen, auch wenn diese operativ nicht zwingend erforderlich wäre. Von diesem Phänomen sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Beratungsunternehmen betroffen, die in der Regel über recht flexible Reiserichtlinien verfügen. Häufig steht die Pflege persönlicher Kundenbeziehungen im Vordergrund, da diese als entscheidend für die Erreichung strategischer Geschäftsziele und die Gewährleistung einer optimalen Kundenbetreuung angesehen werden.
Schließlich ist noch das „Wait and See“-Segment zu nennen, das etwa 5 % der Unternehmen und Organisationen umfasst. Sie agieren eher zurückhaltend und beobachtend, bevor sie sich bewusst für Dienstreisen entscheiden. Diese Tendenz ist vor allem im öffentlichen Sektor und in Großunternehmen auf den unteren Ebenen der Organisationsstruktur zu beobachten. In nicht wettbewerbsorientierten Kontexten oder Positionen ist eine Zurückhaltung gegenüber Geschäftsreisen zu beobachten. Ein erheblicher Anteil der Unternehmen verzichtet inzwischen gänzlich auf Geschäftsreisen.
Knapp 20 Prozent der Unternehmen sind dem „Never Return“-Segment zuzuordnen, das inzwischen vollständig auf digitale Alternativen umgestiegen ist. Dieses Segment ist längst auf digitale Monitoring-, Organisations- und Verwaltungssysteme angewiesen, was zu einem nachhaltigen Rückgang der Geschäftsreisen geführt hat. Nahezu alle Tätigkeiten, die bisher eine physische Präsenz erforderten, wurden hier durch digitale Lösungen ersetzt.
#FORTSCHRITT-Fazit
Bis zur Pandemie kannte die Luftfahrt nur Erfolge, stieg wie Ikarus immer höher und fiel dann wie ein Stein vom Himmel. Staatliche Hilfen, Änderungen im Geschäftsmodell und Optimierungsmaßnahmen haben der Luftfahrt geholfen. Das Comeback gelang innerhalb weniger Monate, fast wie Phönix aus der Asche erhob sich die Branche.
Auch wenn sich die Luftfahrt nach dem Ende der Corona-Pandemie erholt hat, stehen die Veränderungen erst am Anfang. Denn der Druck auf Effizienz, Öko-Neutralität und unterschiedliche regulatorische Anforderungen je nach Markt wird die Branche fordern und belasten. Etablierte Akteure werden sich konsolidieren und neue Akteure aus anderen Branchen werden mit neuen Methoden, Techniken und Lösungen auf den Markt drängen. Die Luftfahrtindustrie ist aufgrund ihrer Größe und Dynamik ein attraktiver Markt mit großem Potenzial.
Wir von #FORTSCHRITT unterstützen gerne bei der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle und helfen dabei, Kundenwünsche zu kapitalisieren. Bei der Umsetzung notwendiger Optimierungen oder der Unterstützung beim Markteintritt in diesen Luftfahrtbereich kann #FORTSCHRITT mit seinem erfahrenen Team zur Seite stehen.
Wenn Sie diesen Beitrag zitieren möchten, nutzen Sie gerne folgende Quellenangabe
Teichert, M. A. (2024, 22. Mai). Phönix aus der Asche – Geschäftsmodell der Luftfahrt im Wandel. FORTSCHRITT GmbH. https://fortschritt.co/blog-de/326-phoenix-aus-der-asche-geschaeftsmodell-der-luftfahrt-im-wandel
Sie interessieren sich für das Thema Mobilität? Dann lohnt sich ein Blick in folgende Publikationen:
Brugger, D. P., & Teichert, M. A. (2021). Autonome Mobilität – The Next Big Thing? Implikationen für die Geschäftsmodelle von morgen. In E. Sucky, N. Biethahn, & J. Werner (Hrsg.), Mobility in a Globalised World 2020 (S. 1-16). University of Bamberg Press. https://doi.org/10.20378/irb-50026
Dodt, M., & Teichert, M. A. (2021). Mobilität – Quo vadis? Ein Ausblick in die autonome Zukunft. In E. Sucky, N. Biethahn, & J. Werner (Hrsg.), Mobility in a Globalised World 2020 (S. 17-32). University of Bamberg Press. https://doi.org/10.20378/irb-50026
Schmid, F., & Teichert, M. A. (2022). Mobilitätspräferenzen und Preisflexibilität spezifischer Nutzergruppen im autonomen Fahren. In E. Sucky, N. Biethahn, J. Werner, & A. Dobhan (Hrsg.), Mobility in a Globalised World 2021 (S. 343-368). University of Bamberg Press. https://doi.org/10.20378/irb-54195
Teichert, M. A., & Dodt, M. (2022). Mobilität für morgen – Wichtigkeit und Zahlungsbereitschaft aus Sicht der Endkunden. In H. Proff (Hrsg.) Transforming Mobility – What Next? (S. 749-462). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36430-4_44
Teichert, M. A., & Dodt, M. (2021). Mobilität der Zukunft – Implikationen für die Geschäftsmodelle von morgen. FORTSCHRITT GmbH.
Teichert, M. A., Knöchel, S. E., & Lüken, J. D. (2020). Das Abo-Model – der Game Changer im Automotive? In H. Proff (Hrsg.), Neue Dimensionen der Mobilität - Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte (S. 609-624). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29746-6_49
Teichert, M. A., & Sikora, B. (2018). Mehrfach Transformation in der automobilen Mobilität - Disruption für das Management. In H. Proff, & T. H. Fojcik (Hrsg.), Mobilität und digitale Transformation - Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte (S. 107-122). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20779-3_7