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Autor: Sebastian Caspar Elles (Business Analyst #FORTSCHRITT)
- 17.11.2022 -

Der aus dem Finanzbereich kommende digitale Euro könnte in der nahen Zukunft zu starken Veränderungen innerhalb des Währungssystems und der Realwirtschaft führen. Unternehmerische Veränderungen und Innovationen sind allgegenwertig. Daher müssen Unternehmen regelmäßig ihr eigenes Geschäftsmodell reflektieren und überprüfen, um nicht vom globalen Wandel abgehängt zu werden.

Doch wo Risiken sind, da bestehen auch Chancen! Dieser Beitrag gibt einen kurzen Einblick auf neue potenzielle Geschäftsmodelle in der Industrie 4.0, die mit einer Einführung des digitalen Euros verbunden wären.

Megatrend: Digitale Währung

Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung sehen sich Unternehmen aller Art mit der Entwicklung von Innovationen, der Implementierung neuer Prozesse und somit einem fortwährenden Change-Management konfrontiert. Insbesondere der Finanzsektor hat seit einiger Zeit mit der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs eine Jahrhundertaufgabe zu bewältigen. Private Währungen wie der im Jahr 2008 veröffentliche Bitcoin drängen auf den Markt und stellen aus Sicht der Zentralbanken ein Konkurrenzprodukt für das herkömmliche Währungssystem dar. Um im digitalen Zeitalter schritthalten zu können, beschäftigen sich daher mittlerweile auch Zentralbanken weltweit mit der Entwicklung einer eigenen digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency – CBDC). Die EZB ist auch auf diesen Zug aufgesprungen und forscht ebenfalls an einem digitalen Euro (Zimmermann,2021).

Was steckt hinter dem digitalen Euro?

Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei dem digitalen Euro um eine digitale Form von Zentralbankgeld. Neben dem bereits existierenden Bargeld würde eine weitere Zahlungsmöglichkeit, ausgegeben von der Zentralbank und in digitaler Form, geschaffen werden. Grundlegend muss dabei zwischen zwei verschiedenen Ausprägungen des digitalen Euros unterschieden werden. Wie in nachfolgender Abbildung zu sehen ist, unterscheidet man zwischen einem Retail-Euro und einem Wholesale-Euro. Der Retail-Euro wäre für die breite Öffentlichkeit zugänglich und könnte für alltägliche Zahlungsvorgänge, z.B. an der Supermarktkasse genutzt werden. Der Wholesale-Euro hingegen wäre lediglich für den Zahlungsverkehr zwischen Banken und Finanzinstituten gedacht. Momentan befindet sich die EZB in einer zweijährigen Forschungsphase und untersucht bestimmte Ausgestaltungsformen bzw. Merkmale des potenziellen digitalen Euros. Erst nach Beendigung dieser Untersuchung soll darüber abgestimmt werden, ob und wie ein digitaler Euro entwickelt werden soll (EZB, 2020).

„Ich weiß, dass wir auf die Nachfrage in Europa antworten müssen, und wir haben eine Nachfrage.“ – Christine Lagarde, 2021

Aus Sicht der EZB-Chefin Christine Lagarde scheint es sicher, dass die EU ihre eigene gemeinsame Währung auch in einer elektronischen Variante auf den Markt bringen wird. wie: „Wir werden einen digitalen Euro haben.“ – die Frage ist also nicht mehr ob, sondern wann.

 

digitaler Euro retail wholesale

Abb. 1: Ausprägung des digitalen Euros, eigene Darstellung.

Industrie 4.0 und das Internet der Dinge (IoT)

Die Industrie 4.0 hat das Ziel, die reale und virtuelle Welt miteinander zu vernetzen. Menschen, Maschinen und Produkte sind aufgrund neuer Informations- und Kommunikationstechnologien direkt miteinander verbunden und können interagieren. In einer ständigen Verbindung stehen hierbei auch das sogenannte Internet der Dinge (IoT) und die „Machine-to-Machine-Kommunikation“ (M2M). Hierdurch ist es möglich, dass Maschinen selbstständig miteinander kommunizieren, Informationen austauschen und sogar Zahlungen tätigen können. Hiermit würden Prozesse, Abläufe sowie Produktionszyklen automatisiert und somit effizienter gestaltet werden können. Gerade im M2M-Payment-Bereich sehen Experten hohes Potenzial. Nach Einschätzung von Experten sollen bis zum Jahr 2025 mehr als 75 Milliarden Geräte an das Internet angeschlossen sein (Cash on Ledger, 2022). So gibt es mittlerweile vernetzte Kühlschränke, die den Bestand prüfen und automatisch Waren nachbestellen. Auch sollen Autos in der Lage sein, Zahlungen an einer Tankstelle direkt nach dem Tank- bzw. Ladevorgang automatisch zu tätigen.

Der digitale Euro als Zahlungsmittel

Eine Vielzahl dieser Maschinen werden auch über eigene Zahlungssysteme verfügen, die es erlauben, Zahlungen untereinander autonom durchzuführen. So wird geschätzt, dass bis 2027 ca. 18 Milliarden Transaktionen im M2M -Bereich getätigt werden (Bankingclub, 2022). Der digitale Euro soll hierbei als digitales Zahlungsmittel innerhalb dieses Ökosystems fungieren. Aus der Industrie werden immer mehr Stimmen laut, die ein solches Zahlungssystem fordern. Damit jedoch die gewünschten Effekte erzielt werden können, bedarf es einer speziellen Ausgestaltung des digitalen Euros.

Geschäftsmodelle am Beispiel des digitalen Euros

Die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung im Kontext des digitalen Euros in der Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge wird dazu führen, dass bestehende Geschäftsmodelle auf ihre Zukunftsfähigkeit überprüft werden müssen bzw. komplett neue Geschäftsmodelle entstehen können. Welcher Systematik Geschäftsmodelle künftig folgen, kann mithilfe des St. Galler Geschäftsmodell Navigators (Gassmann, Frankenberger, Csik, 2013) dargestellt werden. Zur Orientierung lassen sich vier Leitfragen herausstellen, die aus der Perspektive des digitalen Euros beantwortet werden:

  • Was bietet man dem Kunden an?
  • Wie stellen wir die Leistung dar?
  • Wie wird Wert erzielt?
  • Wer sind die Kunden?

 

st galler geschäftsmodell navigator

Abb. 2: St. Galler Geschäftsmodell Navigator, Gassmann et al., 2013.

Welchen Mehrwert bringt der digitale Euro dem Kunden?

Wie bereits erwähnt, würde ein digitaler Euro im M2M-Payment-Bereich zu Effizienzsteigerungen beim Zahlungsverkehr führen. Neben Optimierungen in puncto Schnelligkeit und Kosten wäre ein digitaler Euro ebenfalls in der Lage, Micropayments (0,01 €– 5,00 €) durchzuführen. Vor allem im E-Commerce fallen häufige Mircopayments an. Diese Transaktionen sind zum jetzigen Zeitpunkt jedoch aufgrund fehlender Abwicklungsmöglichkeiten wirtschaftlich nicht realisierbar. Zudem könnten ganze Prozesse durch automatisierte Vorgänge effizienter, dynamischer und flexibler gestaltet werden.

Wie wird die Leistung dargestellt?

Eine Voraussetzung für die gewünschten Optimierungen ist, dass der digitale Euro programmierbar wäre und auf Basis der Blockchain-Technologie laufen würde. Hierdurch wäre er interoperabel und in verschiedenen Szenarien einsetzbar. Mithilfe von smart contracts könnten an den digitalen Euro bestimmte Bedingungen bzw. Optionen geknüpft werden, die autonom überprüft und erfüllt würden. So wären Maschinen in der Lage, den Zahlungsverkehr auf Basis einer Wenn-Dann-Beziehung autonom durchzuführen, womit die Zahlungsvorgänge tiefer in den Geschäftsprozess integriert wären.

Wie wird Wert erzielt?

Für Unternehmen würde ein monetär messbarer Mehrwert des digitalen Euros in der Einsparung von Kosten und Personal liegen. Wie eingangs erwähnt, würde ein digitaler Euro viele Prozesse schlanker gestalten, was zur Folge hätte, dass die Prozesskosten reduziert werden könnten. Ebenfalls könnten die bisweilen hohen Transaktionskosten bei Micropayments minimiert werden. Technisch wären die Maschinen zudem in der Lage, den Materialverbrauch bzw. -bedarf durch eine intelligente Programmierung optimaler und fehlerfreier zu kalkulieren und Bestellungen/Materialanforderungen selbstständig auszulösen. Durch diese konkreten Einsparpotentiale hätte der digitale Euro direkte Auswirkungen auf das Liquiditätsmanagement eines Unternehmens.

Wer sind die Kunden?

Bei den Kunden bzw. Nutzern des digitalen Euros würde es sich auf der einen Seite um Unternehmen aus der Industrie wie bspw. Automobil, Luftfahrt oder Pharma, und auf der anderen Seite um Finanzinstitute bzw. Banken handeln. Die Größe der Unternehmen bzw. die zur Verfügung stehenden monetären Mittel spielen hier eine entscheidende Rolle, da es zu höheren Investitionen im Bereich der M2M-Infrastruktur kommen kann. Auch der Status quo der Digitalisierung innerhalb des Unternehmens ist zu berücksichtigen, da der digitale Euro einen gewissen Mindestgrad an Digitalisierung erfordert.

Risiken

Neben diversen Chancen für das Unternehmen bzw. das Geschäftsmodell herrschen jedoch auch einige Risiken vor. So könnte ein vermehrter Einsatz von Technologie dazu führen, dass Unternehmen anfälliger für potenzielle Angriffe von außen sind. Außerdem sind Themen wie Haftung, Sicherheit oder Compliance-Richtlinien noch nicht abschließend geklärt.

#FORTSCHRITT-Fazit

Das neu entstehende Ökosystem rund um den digitalen Euro entspringt dem Druck nach Innovation und Optimierung. Das wahrscheinlich größte Potenzial des ergänzenden Zahlungsmittels im Umfeld der Industrie 4.0 liegt unserer Einschätzung nach im M2M-Payment-Bereich. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit dieser Thematik auseinandersetzen und sämtliche Bereiche ihres Geschäftsmodelles überprüfen, um beim Startschuss nicht direkt den Anschluss zu verlieren. Konkrete Handlungsfelder wie z.B. Mechanismen für Pay-per-Use oder die Tokenisierung könnten das Geschäftsmodell ergänzen und Wettbewerbsvorteile generieren. Damit dieses digitale Ökosystem in sich jedoch stabil wirkt, bedarf es einer einheitlichen digitalen Währung wie den digitalen Euro, der als Wegbereiter der digitalen Transformation gehandelt wird.

Wir von #FORTSCHRITT sind Experten im Bereich der Geschäftsmodellentwicklung und Digitalisierung und können dabei unterstützen, das Geschäftsmodell systematisch zu durchleuchten und individuelle Empfehlungen abzugeben. Falls Sie Fragen zu dieser Thematik haben sollte, kontaktieren Sie uns von #FORTSCHRITT gerne.

 

Wenn Sie diesen Beitrag zitieren möchten, nutzen Sie gerne folgende Quellenangabe:

Elles, S. C. (2022, 17. November). Der digitale Euro als Business-Enabler in der Industrie 4.0. FORTSCHRITT GmbH. https://fortschritt.co/blog-de/290-der-digitale-euro-als-business-enabler-in-der-industrie-4-0

Autor

Sebastian Caspar Elles

Business Analyst #FORTSCHRITT

Sebastian Caspar Elles ist Business Analyst bei #FORTSCHRITT. Er studierte in Heidelberg Internationales Management mit dem Fokus auf strategischer und operativer Unternehmensführung. Seine Erfahrungen in Bereichen des End-Consumer Geschäfts und der Prozessoptimierung bzw. Automatisierung prägen seine Tätigkeit bei #FORTSCHRITT.

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